Täglich lese ich in der Zeitung, dass die Corona-Epidemie näherkommt und täglich werde ich als Bürger von Seiten des Gesundheitsministeriums beruhigt, dass das deutsche Gesundheitssystem bestens auf diese Pandemiewelle vorbereitet ist. Und täglich schüttelt es mich dabei, weiß ich doch als Arzt, wie wenig vorbereitet auf eine solche Situation das deutsche Gesundheitssystem in Wirklichkeit ist.

Zeit wäre genug gewesen, sich von offizieller Seite her nach der letzten Schweinegrippen-Pandemie auf so etwas vorzubereiten, und am Geld alleine kann es auch nicht liegen, dass man sich als Arzt in der Praxis von der Gesundheitspolitik so alleine gelassen fühlt.

Denn anstatt dass die Gesundheitspolitik von offizieller Seite ausreichende Vorräte an Schutzausrüstung wie Gesichtsmasken und Schutzkittel angelegt hätte, klappern wir Ärzte jetzt händeringend Amazon und die Baumärkte ab, um wenigstens die allernötigste Ausrüstung zu haben um uns und unsere Angestellten schützen zu können, damit wir unsere Praxen noch funktionsfähig halten und die Patienten versorgen können.

Anstatt dass sich die Experten praxistaugliche Hygienerichtlinien ausdenken, die sich auch in einer massenhaften Infektionswelle durchführen lassen, bekommen wir praxisferne Empfehlungen vorgesetzt, die dazu führen, dass ich als Arzt die Praxis für 2 Wochen schließen und meine Patienten im Regen stehen lassen kann, wenn mich nur der falsche Patient einmal anhustet. Und zwar auch, wenn ich selber gar nicht erkranke.

Anstatt dass die Krankenhäuser eine gewisse Reserve an Betten und Personal vorhalten können, werden die Kliniken auf dem Altar der Wirtschaftlichkeit totgespart, was dann dazu führt, dass es schon bei einer mittelprächtigen Grippewelle zum Bettenmangel und zu Patientenabweisungen kommt. Wie soll da erst eine Epidemie versorgt werden können?

Anstatt dass man sich ein leistungsfähiges öffentliches Gesundheitsamt leistet, dass in solchen Situationen die niedergelassenen Praxen in ihrer Arbeit unterstützen kann, werden so lange Geld und Personal gestrichen, bis man dort kaum mehr als Statistiken verwalten kann.

Anstatt dass man die immer weniger werdenden Praxen durch die Entlastung von überflüssigem Ballast unterstützt, werden niederlassungswillige Ärzte und Ärztinnen abgeschreckt durch immer neue bürokratische Auflagen wie endloses Qualitätsmanagement, ausufernde Hygienevorschriften, undurchschaubare Vergütungsregelungen, undurchführbare Datenschutzauflagen, praxisferne Sicherheitsvorschriften und kosten- und zeitfressende EDV-Vorgaben.

Stattdessen werden Milliarden Euro an Versichertengeldern in Herrn Spahns Herzensprojekt der Digitalisierung und zentralen Datenspeicherung verlocht. Ohne Rücksicht auf Datenschutzprobleme oder Zeit- und Kostenaufwand für die Praxen und ohne irgendeinen praktischen Nutzen für den Patienten oder die Praxen. Und der Öffentlichkeit wird dann vorgegaukelt, dass es purer Fortschritt ist, wenn bald Jeder seine Patientenakte auf dem Handy spazieren führen kann.

So wird von uns Ärztinnen und Ärzten in der Praxis und im Krankenhaus auf der einen Seite maximale Hygiene und Arbeitsbereitschaft im Angesicht der Pandemie gefordert und uns gleichzeitig auf der anderen Seite alle Möglichkeiten genau dazu genommen. Und das wird dann auf Pressekonferenzen lächelnd als "Wir sind auf alles vorbereitet!" verkauft. Wenn es nicht so traurig wäre, dann wäre es fast schon wieder zum Lachen.

Stand Februar 2020